Geschichtswerkstatt Eimsbüttel - „Bewusstsein für der Stadtteil schaffen“

Bauhaus in Lokstedt? Die Ausstellung zur Architektur und Geschichte der Siedlung Julius-Vosselerstraße, Vizelinstraße, Beethovenallee und Repgowstieg war 2008 das große Projekt der Geschichtswerkstatt Eimsbüttel. In dem Verein bündelt sich die historiografische Kompetenz für Stadtteil und Bezirk.

04.11.08 – von Thorsten Büchner –

Die kritische Regionalforschung ist seit einem Vierteljahrhundert das „Kerngeschäft" des Vereins Morgenland, der die Geschichtswerkstatt betreibt. Eigentlich sogar schon seit 30 Jahren, denn bereits 1978 gründete der Kunsthistoriker Klaus Stülpnagel ein autonomes Kulturzentrum: die Galerie Morgenland. „Der Name war durchaus Programm", sagt Sielke Salomon, die für die Geschichtswerkstatt zahlreiche Arbeiten publiziert hat. „Das ,Morgenland‘, das Land der aufgehenden Sonne, stand - in Anlehnung an den Utopiebegriff Ernst Blochs - als Metapher für den Aufbruch in eine bessere, eine freie und solidarische Welt." Dieser Aufbruch war freilich kein Fernziel, sondern sollte in der alltäglichen Praxis aufscheinen. Ein erstes Projekt war die Ausstellung von Grafiken in der NS-Zeit verfolgter Künstler.
1983 schließlich wurde die Geschichtswerkstatt ins Leben gerufen. Und ein Jahr später konnten sogar Fördergelder für das Projekt „Kennen Sie Eimsbüttel?" gewonnen werden - eine erste große Ausstellung zur Stadtteilgeschichte, in der Eimsbüttelerinnen und Eimsbütteler ihre ganz persönlichen Lebenserinnerungen präsentierten. „Hier wurde Geschichtsforschung von unten praktiziert", erläutert Sielke Salomon. „Wir legen in unserem methodischen Ansatz Wert auf die Perspektive der ,kleinen Leute‘." In den folgenden Jahren kristallisierten sich die Forschungsschwerpunkte der Geschichtswerkstatt heraus: die jüdische Geschichte Eimsbüttels, die sich vor allem im Grindelviertel manifestierte. Dann gibt es Arbeiten zum Schicksal des Displaced Persons, zu jugendlichen Lebenswelten im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit und auch zur Geschichte des Bauens und Wohnens in Eimsbüttel.
In den Neunzigern wurde eine dauerhafte staatliche Förderung der 14 Geschichtswerkstätten beschlossen. Mit dem Schwarz-Schill-Senat endete dann aber die Anerkennung dieser Arbeit durch das offizielle Hamburg. Senatorin Dagmar Horakova, deren Kulturverständnis wohl von ihrer vorherigen Tätigkeit als „Bild"-Redakteurin geprägt war, wollte die Förderung 2003 sogar ganz abschaffen. Ein öffentlicher Aufschrei und eine große Mobilisierungskampagne sicherten den Geschichtswerkstätten schließlich 75 Prozent des bisherigen Etats. Dabei ist es bis heute geblieben. Die Stadtteilhistoriker knapsen, wo es geht, ihre Existenz ist auf Kante genäht. Und daran hat auch der schwarz-grüne Koalitionsvertrag wenig geändert, denn von der Million, die den Geschichtswerkstätten zufließen soll, bleibt realiter wenig übrig: Diese Einmalzahlung fließt ein Stiftungsvermögen, von dem lediglich die Zinsen zur Verfügung stehen. Brosamen, zumal auch die Werkstätten unter der Inflation zu leiden haben. „Es ist uns zwar gelungen, den Qualitätsstandard in unserer Arbeit zu halten", sagt Sielke Salomon. „Das aber nur um den Preis einer immer größer werdenden Selbstausbeutung. Ich habe hier eine 15-Stunden-Stelle, arbeite aber tatsächlich rund 30 Stunden, um all die Aufgaben bewältigen zu können."
Tatsächlich ist der „Output" enorm: Neben den wissenschaftlichen Publikationen bieten die Stadtteilhistoriker Rundgänge, Ausstellungen und Vorträge an. Dafür konnten sogar Prominente wie Hans Mommsen, Karl Schlögel und Arno Lustiger sowie die Autorin Viola Roggenkamp gewonnen werden. Auf insgesamt 31 Veranstaltungen brachte es die Geschichtswerkstatt im vergangenen Jahr. Eine davon ist der halbjährlich stattfindende Klöntreff. Hier sind Eimsbüttlerinnen und Eimsbüttler eingeladen, ihre persönliche Geschichte zu einem vorgegebenen Thema zu erzählen. Im Dezember ist das „Großer Hans und Arme Ritter - Kochen und Kochrezepte in der Nachkriegszeit" (11.12., 15 Uhr, Sillemstr. 79).
Mit der Ausstellung zum Bauhaus in Lokstedt hat die Geschichtswerkstatt übrigens den Blick über die Grenzen des Stadtteils Eimsbüttel gewagt. „Wir erwerben immer mehr Kompetenz für den gesamten Bezirk", sagt Sielke Salomon. „Eigentlich überfordert uns diese Arbeit personell wie materiell. Und wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zum historiografischen Dienstleister des Bezirks machen." Allerdings sei die Zusammenarbeit mit der Verwaltung sehr gut und vertrauensvoll. Salomon: „Wir stoßen im Bezirksamt auf viel Sympathie." Und auch die Bevölkerung schätzt die Arbeit der Geschichtswerkstatt. „Die Bewohner der Siedlung haben die Bauhaus-Ausstellung zu ihrer Angelegenheit gemacht", sagt die Historikerin. Und erstmals seit Jahrzehnten habe es dort wieder ein Sommerfest gegeben. Es wurde ein Bewusstsein dafür geschaffen, in welchem architektonischen Juwel die Bauhaus-Bewohner leben. Und die Geschichtsforschung hat damit in der Gegenwart Erfolge erzielt. Für den Verein Morgenland und die Geschichtswerkstatt Eimsbüttel sicher das optimale Resultat.
Thorsten Büchner

Galerie Morgenland/Geschichtswerkstatt Eimsbüttel
Sillemstraße. 79
20257 Hamburg
www.galerie-morgenland.de

 

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