Vereinte Nationen von Eimsbüttel

Der Verein Lenzsiedlung managt das Zusammenleben in schwierigem Umfeld.

23.02.09 –

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Ob „Tatort“ oder „Bend it like Beckham“ – wenn man beim Film eine typische Hochhauskulisse braucht, fährt man in die Lenzsiedlung. Gänzlich untypisch für westdeutsche Plattenbauviertel ist jedoch die Tatsache, dass die Geschichte des Quartiers weitgehend eine Erfolgsstory ist.

 

Die Lenzsiedlung wurde 1975 als letztes Großraumprojekt in Hamburg aus dem Boden gestampft – zu einem Zeitpunkt, als andere Plattenbauviertel wie Steilshoop oder Mümmelmannsberg bereits gescheitert waren. Dass sie nicht in die Kategorie „Elendsquartier“ abrutschte, hat die Lenzsiedlung freilich auch geografischen Tatsachen zu verdanken: Sie ist citynah gelegen, die Einkaufsmöglichkeiten sind hervorragend, ebenso die Versorgung mit Ärzten. Und zudem ist sie kein eigener Stadtteil, die Häuser sind eng und hoch gebaut, die verbrauchte Fläche gering. Und so ist die Einbindung in die sie umgebenden Quartiere viel unmittelbarer als etwa in Mümmelmannsberg. „Obwohl sie formal Lokstedter sind, verstehen sich die Leute in der Lenzsiedlung übrigens als Eimsbüttler“, sagt Jörg Fischlin, Geschäftsführer des Vereins Lenzsiedlung. Das überrascht nicht, denn sie gehen im Stadtteil Eimsbüttel zur Schule oder kaufen in der Osterstraße ein.

Der Verein wurde 1977 als Elterninitiative ins Leben gerufen. In den Achtziger- und Neunzigerjahren professionalisierte er sich zum zentralen Träger von sozialen Projekten. Das Bürgerhaus entstand – zurzeit wird es saniert, im September wiedereröffnet. Auch die Vereinsziele haben sich erweitert. Während zu Beginn nur offene Jugendarbeit angeboten wurde, ist das Spektrum heute auf die Bereiche Jugendhilfe/Familienförderung, Bildung/Gesundheit, Völkerverständigung und Kunst/Kultur angewachsen.

Die Jugendhilfe ist immer noch ein zentraler Bestandteil in der Arbeit des Vereins. Indes ist es längst nicht beim sprichwörtlichen Kicker geblieben. Die jungen Bewohner können aus einem breiten Sportangebot wählen – vieles in Zusammenarbeit mit dem benachbarten Verein Grün-Weiß Eimsbüttel. Dazu kommen Musik- und Spielfilmprojekte. Und der Pädagogische Mittagstisch – eine Kombination aus Essen und Hausaufgabenbetreuung. Die Familienförderung umfasst offene Treffs für Mütter, Sucht-, Schuldner- oder Erziehungsberatung, die oft von externen Trägern übernommen werden. „Wir fungieren als Anlaufstelle und leiten dann an verschiedene Institutionen über“; erzählt Jörg Fischlin. „Wir haben insgesamt 60 Kooperationspartner. So gewährleisten wir ein breites Beratungsspektrum. Dennoch bleibt alles unter einem Dach.“ Die Zusammenarbeit mit Externen ist für den Verein so wichtig, weil die insgesamt rund 60 Ehrenamtlichen, Honorarkräfte und Praktikanten zwar unschätzbare Arbeit leisten, viele Angebote aber von ausgebildeten Spezialisten durchgeführt werden müssen. Dazu zählen nicht zuletzt die Angebote im Bereich Gesundheit – von der Rauchentwöhnung über die Krebsprävention bis zur Traumanachsorge. Neben dem Gesundheitsamt engagiert sich übrigens das UKE im Quartier: Die Lenzsiedlung ist Forschungsstadtteil im Fachbereich Medizinsoziologie.

Begegnung schaffen“ – für keinen Bereich hat das Vereinsmotto wohl mehr Gültigkeit als für das Vereinsziel Völkerverständigung. 60 Nationalitäten verteilen sich auf die 1100 Wohnungen in der Lenzsiedlung, rund 60 Prozent der 3000 Bewohner haben Migrationshintergrund. Ein „Internationales Komitee“ koordiniert die Aktivitäten des Vereins in diesem Bereich – und oft genug ergeben sich hier Überschneidungen mit dem Vereinsziel Kunst/Kultur: Vor allem Musikprojekte und Bühnenprogramme (von koreanischen Trommlern bis zu Bauchtanz) sollen die Bewohner der Lenzsiedlung aus ihren nationalen Gettos herauslocken. „Wir betrachten die kulturelle Vielfalt in der Siedlung als Schatz, nicht als Problem“; betont Fischlin. „Natürlich gelingt es uns nicht, jeden Bewohner mitzunehmen. Manche bleiben lieber in ihrer selbstgewählten Isolation. Aber unsere Angebote gelten auch für sie.“ Das funktionierende Miteinander hat den ehemaligen GAL-Senator Alexander Porschke vor Jahren übrigens „die Vereinten Nationen Eimsbüttels“ genannt. Daran hat sich nichts geändert – Multikulti kann auch glücken, selbst in einem schwierigen Umfeld.

Und das ist in den vergangenen Jahren nicht eben leichter geworden. Die Rahmenfinanzierung für den Verein ist zwar gesichert. Doch mit den Aufgaben wächst das Budget nicht. Die jährlich 92.000 Euro zum Beispiel, die für den Betrieb des Bürgerhauses zur Verfügung stehen, sind seit 2000 in der Höhe eingefroren. Die Inflation dagegen nicht… Und nicht nur für den Verein, auch für die Bewohner selbst sind die Zeiten härter geworden. Jörg Fischlin: „Viele Wohnungen fallen aus der Sozialbindung heraus. Oder sie sind an der Grenze dessen, was die ARGE zu finanzieren bereit ist. Nur: Wo sollen die Leute denn noch hin, wenn sie sich nicht mal mehr die Lenzsiedlung leisten können?“

Dennoch bewertet der Geschäftsführer des Vereins die Geschichte der Lenzsielung als Erfolg: Allerdings will er das nicht nur dem Verein anrechnen: „Stadtteilbeirat, Kommunalpolitik, die Polizei oder Grün-Weiß – das Umfeld trägt zum Erfolg der Lenzsiedlung bei, und das ist ein ganz großes Glück.“ Den wichtigsten Beitrag aber leisten die Bewohner. Fischlin: „Das sind überwiegend selbsttragende Strukturen, und die hängen ganz konkret von den Menschen ab, die sich in der Lenzsiedlung engagieren.“

Grüne Termine

Die GRÜNEN Infostände in der KW 20 (13. - 19. Mai)

Mitten im Wahlkampf stehen unsere fleißigen Helfer*innen jede Woche bereit, um mit euch ins Gespräch zu kommen. Info- und Zuhörstände der Kalenderwoche 20.

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Die GRÜNEN Infostände in der KW 21 (20. - 26. Mai)

Mitten im Wahlkampf stehen unsere fleißigen Helfer*innen jede Woche bereit, um mit euch ins Gespräch zu kommen. Info- und Zuhörstände der Kalenderwoche 21.

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Speakers' Corner "Kreislaufwirtschaft ist mehr als Abfallwirtschaft"

Diskutiert mit Susanne Langsdorf vom Ecologic Institut Berlin über das spannende Thema Kreislaufwirtschaft.

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