Menü
01.03.23 –
Senegal und Ghana – diese zwei sehr interessanten Länder in Westafrika waren Ziel der Reise des Rechtsausschussesdes Bundestags vom 12. - 18.2.2023. Unser GRÜNER Bundestagsabgeordneter Till Steffen aus Eimsbüttel konnte daran für die GRÜNE Fraktion teilnehmen. Neben ihm waren Vertreter*innen aller Fraktionen des Bundestags dabei. Hier sein Bericht.
Warum diese beiden Länder? Beide Länder sind gefestigte Demokratien und damit Stabilitätsanker für die Region. Sie sind von entscheidender Bedeutung für den weiteren Weg, den Westafrika geht: Gelingt es, dass diese Region einen Beitrag zur Energiewende leistet (Stichwort: Grüner Wasserstoff)? Gelingt eine Entwicklung mit wirtschaftlicher Stabilität und Verteilung des Wohlstands auf die Breite der Bevölkerung? Oder geht es wegen islamistischen Terrors, autoritärer Politik, Korruption, Raubbau an den Bodenschätzen und starkem Bevölkerungswachstum in die andere Richtung?
Entscheidend ist dafür, welchen Stellenwert Rechtsstaat und Menschenrechte in diesen Ländern haben. Auf unserer Reise haben wir einen besonderen Fokus auf die Rechte von Frauen, LGBTQI*-Menschen, den Zugang zum Recht und die Bekämpfung von Korruption gelegt. Zusammenfassend lässt sich sagen: Da gibt es in beiden Ländern viel zu tun - es gibt aber auch einige Punkte, in denen uns diese Länder voraus sind.
Trotz ihrer Ähnlichkeit auf den ersten Blick sind die beiden Länder auch sehr verschieden: Der Senegal ist geprägt von der französischen Kolonialzeit und hat immer noch sehr enge wirtschaftliche Verbindungen zu Frankreich. Amtssprache ist aus dieser Geschichte heraus Französisch, und die absolut dominierende Religion ist der Islam, was sich bei gesellschaftspolitischen Fragen sehr bemerkbar macht. Ghana spricht Englisch und war lange Zeit Vorreiter der Bewegung der blockfreien Länder, was sich immer noch in Fragen der Wirtschaftspolitik ablesen lässt. Religiös ist das Land sehr gemischt, großen Einfluss haben nach wie vor die Könige in den einzelnen Regionen. Ghana ist sichtbar wohlhabender als der Senegal, der aber immer noch weit besser dasteht als viele andere Staaten der Region. Beide sind davon betroffen, dass in ihren Nachbarländern Burkina Faso und Mali der islamistische Terror sein Unwesen treibt, was zu Instabilität über die Grenzen hinweg führt und Sorgen auslöst, ob nicht insbesondere Goldminen, die in Grenznähe liegen, Begehrlichkeiten der Terroristen wecken. Weitere Gemeinsamkeit: Es gibt sehr viele junge Menschen, die, obwohl zum Teil gut ausgebildet, nur sehr eingeschränkte Berufsperspektiven haben.
Im Senegal hat uns stark die rechtliche Stellung der Frauen beschäftigt. Aus unserer Perspektive sehr widersprüchlich: Einerseits gibt es dort – woran wir für den Bundestag noch arbeiten müssen – eine fest verankerte Parität für das Parlament und viele weitere Gremien (nicht für die Regierung wohlgemerkt). Andererseits werden Frauen in vielen familienrechtlichen Fragen stark benachteiligt, wie uns von senegalesischen Frauenrechtlerinnen erläutert wurde. Besonders augenfällig ist die Zulässigkeit von Polygamie, die sich – wie wir aus einer Vielzahl von Gesprächen erfahren durften – auch breiter gesellschaftlicher Akzeptanz erfreut. Es liegt auf der Hand, dass dieses Modell nur fortbestehen kann, weil die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend sind. Manche Dinge ändern sich dabei ganz langsam, aber es bleibt ein Weg zu gehen.
Beeindruckt waren wir von der Einrichtung von „Maisons de la justice“ im gesamten Land. Es gibt insgesamt 30 solcher Häuser, in denen kostenlos Rechtsrat und Streitschlichtung zur Verfügung stehen. Das ist sehr wichtig, weil es insgesamt nur wenige Richter*innen und Anwält*innen gibt und rechtliche Vertretung für weite Teile der Bevölkerung nicht erschwinglich ist. Die „Maisons de la justice“ sorgen also dafür, dass es überhaupt einen Zugang zum Recht gibt. Ohne sie würde schlicht das Recht des Stärkeren gelten. Sie machen sich zunutze, dass in der Kultur mediative Streitschlichtung tief verankert ist – das wird dann übertragen auf die Anwendung des vom Gesetzgeber beschlossenen Rechts. Folgerichtig sind als Streitschlichter*innen ausschließlich ältere Personen tätig, während junge Jurist*innen sich um die Beratung kümmern. Gefördert wird dieses Projekt auch stark von der Europäischen Union und mit tatkräftiger Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (giz), die auch in vielen anderen Projekten im Senegal den Rechtsstaat stärkt.
Große Sorgen machen sich nicht wenige Menschen wegen einer drohenden Verfassungskrise: Die Verfassung sieht vor, dass ein Präsident nur zwei Amtszeiten absolvieren darf. Der Amtsinhaber Macky Sall schickt sich aber an, ein drittes Mal zu kandidieren. Auf unser Befragen sagte der Justizminister, dass er die Verfassung auch so lese, dass nur zwei Amtszeiten zulässig seien. Aber es gebe da so eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, das auch eine andere Interpretation zulasse…
Abgeschlossen wurden unsere drei Tage im Senegal durch einen Besuch der Insel Gorée. Sehr hübsch anzusehen hat sie doch eine sehr bedrückende Geschichte: Von hier fand ein Großteil des Sklavenhandels mit Menschen aus ganz Westafrika statt. Es ist deswegen ein Ort, der eine Schlüsselstellung für die Black Community weltweit hat und an dem Nelson Mandela, Bill Clinton und Barack Obama wichtige Auftritte hatten.
In Ghana beschäftigten uns die Themen Korruptionsbekämpfung und ein Gesetz, das von einer Gruppe von Abgeordneten beider Fraktionen eingebracht wurde und massive Strafdrohungen für homosexuelle Handlungen vorsieht. Nach einem sehr freundlichen Empfang im Plenum des Parlaments diskutierten wir sehr engagiert mit den Mitgliedern des Rechtsausschusses. Bemerkenswerterweise stand dieses Thema nicht auf unseren Impuls hin im Mittelpunkt. Wir waren eher darauf hingewiesen worden, dass bei dem Thema hohe Sensibilität angezeigt sei. Vielmehr kam der Vorsitzende immer wieder auf das Thema zu sprechen. Wie wir im Nachhinein hörten, hängt das Verfahren im Moment insbesondere an ihm. Ursprünglich war für den Tag eine Anhörung vorgesehen, aber dann kam leider, leider unser Besuch dazwischen…
Korruption ist in Ghana ein massives Problem. Gleichzeitig gibt es durchaus schlagkräftige Institutionen zu deren Bekämpfung, wie einen Sonderstaatsanwalt zu dem Thema und eine Financial Intelligence Unit, die sich mit der Aufdeckung illegaler Finanztransaktionen beschäftigt. Durch deren Bemühungen ist es Ghana immerhin gelungen, von der entsprechenden Greylist der EU runterzukommen. Da ich mich gerade mit der Einführung eines gesetzlichen Hinweisgeberschutzes in Deutschland beschäftige, habe ich den ghanaischen Justizminister nach deren Erfahrungen gefragt. Seine Antwort: Derartige Regelungen habe man schon lange. Sie seien nur nicht besonders wirksam. Deswegen sei jetzt eine Gesetzesänderung auf dem Weg, nach der künftig Hinweisgeber*innen an den durch sie bewirkten Ersparnissen des Staates beteiligt werden sollen. Eine Regelung, die recht kreativ, wenn nicht zu kreativ für den deutschen Gesetzgeber ist.
Abgerundet wurde der Aufenthalt in Ghana durch einen Besuch des größten Gefängnisses des Landes und einen Empfang, bei dem wir Gelegenheit hatten, mit vielen Nichtregierungsorganisationen aus Ghana zu sprechen.
Mein Fazit: Eine Reise mit sehr vielen Eindrücken und sehr vielen sehr interessanten Gesprächen. Zwei Länder, in denen viele hart an der Stärkung von Rechtsstaat und Menschenrechten arbeiten, die wir sehr wirksam unterstützen können. Und eine Region, die für uns immer wichtiger werden wird.
Kategorie
Der Landesverband lädt alle Mitglieder herzlich zur LMV ein - Schwerpunkt ist die Aufstellung der Landesliste für die nächste Bundestagswahl. Weitere Infos findet ihr hier.
MehrDie Gruppe GenerationPlus der Eimsbütteler GRÜNEN setzt sich mit Altersinklusion auseinander und freut sich über alle Interessierten, die zu diesem Thema etwas beitragen wollen.
MehrEine herzliche und ermutigende Einladung an alle Mitglieder des Kreisverbands Eimsbüttel: Unser Bundestagsabgeordneter Till Steffen und Johannes Scharr zeigen: Wahlkampf kann jede*r!
Mehr