Interview mit Anna Gallina und Michael Gwosdz: Wie durchbricht man die Preisspirale beim Wohnen?

05.04.23 –

Am 28. März luden Anna Gallina, Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz und Michael Gwosdz, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft zur Diskussion rund um das Thema Mieten und bezahlbares Wohnen ein. Gesprochen wurde über Möglichkeiten die Preise fürs Wohnen zu senken und wie die Lage am Wohnungsmarkt verbessert werden kann. Hier könnt ihr dazu ein Interview zwischen Anna Gallina und Michael Gwosdz nachlesen.

Anna, Du warst Mitglied der Bezirksversammlung und Fraktionsvorsitzende in Eimsbüttel, dort schon viel mit dem Thema Wohnen und Bauen befasst. In Deiner Zeit als Parteivorsitzende in Hamburg  hast Du die grüne Programmatik in dem Bereich weiterentwickelt, zum Beispiel mit dem Programm „10 plus 10 für 2020“ – Mietenwahn und Wohnungsnot beenden. Für generationengerechtes, grünes und bezahlbares Wohnen in Hamburg“. Jetzt hast Du als Justiz- und Vebraucherschutzsenatorin wieder mit dem Thema Wohnen zu tun. Sind wir auf einem guten Weg in Sachen bezahlbare Mieten?
Wir sind in Hamburg schon wesentliche Schritte gegangen. Ihr habt in der Bürgerschaft gerade erst in unserer Hamburgischen Verfassung verankert, dass Grundstücke der Stadt nicht mehr verkauft werden dürfen. Stattdessen werden diese nur noch in Erbpacht vergeben. Das ist ein wirklich zentraler Schritt. Denn nur wenn die Stadt auch die Hoheit über den Boden hat, hat sie das entscheidende Instrument, das hilft, preistreibende Bodenspekulationen zu verhindern und auch die nachhaltige Versorgung mit Wohnraum noch weiter voranzubringen. Wie wichtig das ist bzw. wie schwierig, wenn der Stadt das Grundstück nicht gehört, kann man aktuell gut beim Holstenareal sehen.


Was ist da das Problem?
Das Grundstück gehörte der Stadt noch nie. Uns gehören nur ungefähr 40 Prozent des Bodens in Hamburg. 2016 hat die Holsten-Mutter Carlsberg das 8,6 Hektar große Areal verkauft. Dann sollte dort ein neues Quartier mit Wohnungen, Kitas und Geschäften entstehen. Doch bis heute ist es nicht vorangegangen, abgesehen von den Abbrucharbeiten. Stattdessen wurde die Fläche zum Spekulationsobjekt, die inzwischen den vierten Besitzer hat. Die Stadt hätte damals ein Vorkaufsrecht gehabt und heute sind sich alle einig, dass es besser gewesen wäre, es auch auszuüben und dann über Erbbaurecht dafür zu sorgen, dass diese Fläche entsprechend entwickelt wird.


Erbpacht ist ein wichtiger Punkt. So können auch private Genossenschaften oder Baugemeinschaften bauen. Aber was passiert eigentlich am Ende der Erbpacht mit den Grundstücken und vor allem den Immobilien und den Mieter*innen?
Erstmal ist ein Erbbaurecht ein grundstücksgleiches Recht, d. h. das Recht der Erbbauberechtigten, auf einem Grundstück für eine vertraglich bestimmte Zeit ein Gebäude zu errichten oder zu unterhalten, während das Eigentum am Grundstück bei den Erbbaurechtsgebenden verbleibt, in dem Fall also bei der Stadt. Fünf Jahre bevor das Erbbaurecht ausläuft, tritt die Stadt mit dem Erbbauberechtigten in Kontakt. Sofern der Kauf des Grundstücks oder die Verlängerung des Erbbaurechts entweder nicht möglich oder von den Erbbauberechtigten nicht gewünscht sind, läuft das Erbbaurecht zum vertraglich festgelegten Datum aus. Mit Ende des Erbbaurechtsvertrags gehen die Gebäude auf dem Grundstück dann an die Stadt, wofür sie dann eine Entschädigung zahlt.


Vor Kurzem haben wir in der Bürgerschaft mit SPD und GRÜNEN einen Antrag verabschiedet, mit dem der Senat aufgefordert wird, die sogenannten „Kappungsgrenzenverordnung in Hamburg für weitere fünf Jahre zu erlassen“. Was verbirgt sich hinter der Kappungsgrenzenverordnung? Wie schützt das die Mieter*innen?
Es gibt zwei ganz wichtige Instrumente, um die Mietpreise nicht in schwindelerregende Höhen treiben zu lassen. Das eine ist die Kappungsgrenze, das andere ist die Mietpreisbremse. Die Kappungsgrenze ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt und sorgt dafür, dass Vermieter:innen frühestens 15 Monate nach Einzug oder nach der letzten Mieterhöhung die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete anheben.
Innerhalb von drei Jahren darf der Preisaufschlag nicht höher sein als 20 Prozent, in vielen Städten sogar nicht höher als 15 Prozent. Es wird also bei 20 oder bei 15 Prozent gekappt, daher der Begriff Kappungsgrenze. Wir würden diese Grenze als Grüne auch im Bund gerne noch weiter absenken.
Damit nun aber dieser mögliche reduzierte Prozentsatz, den das BGB ermöglicht, auch greift und man also in Hamburg „nur“ 15 Prozent Erhöhung hinnehmen muss, dürfen die Landesregierungen für Gemeinden eine entsprechende Rechtsverordnung erlassen. Voraussetzung ist, dass die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist. Das hat Hamburg in der Vergangenheit getan und wird jetzt – wie von Euch gefordert - wieder eine neue Rechtsverordnung erlassen. Das heißt also für die Mieter:innen maximal 15 Prozent Mieterhöhung Erhöhung in drei Jahren. Außer man hat zum Beispiel eine Indexmiete …


Über Indexmieten wird aktuell viel gesprochen. Wenn ich es richtig zusammenfasse, bedeutet das, dass die Miete nur so viel steigen darf, wie die Lebenshaltungskosten steigen. Das war in Zeiten niedriger Inflation ganz praktisch, wird jetzt aber aktuell für viele Mieter*innen zum Problem. Wie beurteilst Du die Indexmieten?
Unser Bürgerliches Gesetzbuch regelt auch, dass die Mietvertragsparteien Indexmieten vereinbaren dürfen. In diesem Fall wird die Miete durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland (Verbraucherpreisindex) bestimmt. Dann gilt lediglich für die Ausgangsmiete die Mietpreisbremse. Die Anpassung der Miethöhe an den Verbraucherpreisindex kann einmal im Jahr erfolgen. Dafür dürfen Kosten für wohnwertsteigernde Modernisierungsmaßnahmen in der Regel nicht umgelegt werden.
Besonders in Großstädten mit angespannten Wohnungsmärkten und nach unseren Erkenntnissen vor allem in Neubauwohnungen sowie im beliebten Altbau werden zunehmend Mietverträge an den allgemeinen Preisindex gekoppelt, damit sind bei der Indexmiete Mieterhöhungen oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete möglich.
Solange sich die Inflation auf einem niedrigen Niveau entwickelte, war die Mietenentwicklung in Indexmietverträgen entsprechend eingeschränkt, es konnten nur moderate Mietanpassungen erfolgen. Seit Mitte des vergangenen Jahres und insbesondere seit Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine Ende Februar 2022 sind die Lebenshaltungskosten in Deutschland jedoch außergewöhnlich stark gestiegen. Seit März 2022 liegt die Inflation bei über 7 Prozent – im Oktober 2022 sogar bei über 10 Prozent –, und ich befürchte, dass sich diese Entwicklung noch länger fortsetzt. Die Höhe der Inflation, die sich im Verbraucherpreisindex abbildet, hat unverhältnismäßig große Mieterhöhungsmöglichkeiten im Rahmen von Indexmietverträgen zur Folge. Weiter steigende Energiekosten führen ohnehin zu drastischen Wohnkostensteigerungen. Das bringt die Menschen in finanzielle Problem, das zeigt auch unsere neue Umfrage zu dem Thema.
Deshalb haben wir schon vor Monaten einen Gesetzentwurf zur Kappung der Indexmieterhöhung auf 3,5 Prozent pro Jahr in den Bundesrat eingebracht und auch im Rahmen der Justizministerkonferenz die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Bislang ist hier aber immer noch nichts passiert.


Ein Thema, was uns hier in Eimsbüttel immer wieder beschäftigt, ist die Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen. Was nützt das ganze Wohnungsbauprogramm, wenn bestehende Wohnungen Ferienwohnungen werden? Und was nutzen alle Mietpreisbremsen, wenn diese nicht gelten, sobald eine Wohnung möbliert vermietet wird? Welche Möglichkeiten siehst Du, diese Themen in den Griff zu bekommen?
Um das Problem von Ferienwohnungen in den Griff zu bekommen, bzw. die dauerhafte Zweckentfremdung von Wohnraum durch Ferienwohnungen gibt es ein Zweckentfremdungsverbot in Hamburg. Mieter:innen und Wohnungseigentümer:innen dürfen – abgesehen von anderen rechtlichen und vertraglichen Pflichten – ihre Hauptwohnung nur teil- bzw. zeitweise an Touristen vermieten. Eine ständige Überlassung an wechselnde Nutzer:innen ist zulässig, wenn sich dies auf weniger als 50% der Gesamtwohnfläche beschränkt.
Wenn man die gesamte Wohnung an wechselnde Nutzer:innen vermieten will, darf man das nur weniger als acht Wochen innerhalb eines Jahres.
Wenn man eine Zweit- oder Nebenwohnung besitzt, darf man die Dritten nur für eine dauerhafte Wohnnutzung, also nur für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten überlassen.
Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist in ganz Hamburg inzwischen in allen Gebäuden mit mehr als fünf Wohneinheiten genehmigungspflichtig. Mit der Verordnung die der Senat erlassenen hat sollen die positiven Effekte, die in Gebieten mit Sozialer Erhaltungsverordnung bewirkt werden, zukünftig in der gesamten Stadt erzielt werden.
Beim Thema möblierter Wohnraum, hast Du ein weiteres ganz wichtiges Schlupfloch angesprochen.
Auch bei möblierten Wohnraum gilt die Mietpreisbremse, sie ist aber nur schwer anzuwenden. Denn der Möblierungszuschlag muss bislang nicht gesondert ausgewiesen werden. Damit ist auch die Nettokaltmiete nicht transparent, die mit ortsüblichen Vergleichsmieten verglichen und gegebenenfalls als zu hoch gerügt werden könnte. Deshalb haben wir auch hier einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, damit es künftig eine Pflicht zur Offenlegung des Möblierungszuschlags gibt. Gleichzeitig wollen wir die Höhe des Zuschlags begrenzen auf monatlich höchstens ein Prozent des Zeitwerts, den die Möbel zu Beginn des Mietverhältnisses haben. Als Zeitwert wiederum gilt der Anschaffungspreis abzüglich eines Betrags von fünf Prozent für jedes Jahr, das seit dem Kauf abgelaufen ist.
Häufig fällt die möblierte Wohnung aber zusammen mit der Kurzzeitvermietung juristisch bezeichnet als "Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch“. Auch da sehe ich Handlungsbedarf. Denn es ist überhaupt nicht klar rechtlich, welch ein Zeitraum davon eigentlich erfasst ist. Deshalb haben wir auch dazu einen Gesetzesvorschlag in den Bundesrat eingebracht. Es soll festgelegt werden, dass dies in der Regel nicht für Vermietungen ab sechs Monaten Dauer gilt und auch nicht für Ketten befristeter Kurzzeitmietverträge zwischen denselben Vertragsparteien.

 

Vorletzte Woche hat der Senat eine Einkommensanpassung für gefördertes Wohnen vorgenommen. Mieterinnen und Mieter dürfen künftig in eine Sozialwohnung ziehen, auch wenn ihr Jahresbruttoeinkommen bis zu 60 Prozent statt 45 Prozent über dem im Hamburgischen Wohnraumförderungsgesetz festgelegten Basiswert liegt [1]. Das finde ich als Sozialpolitiker erstmal erfreulich. Allerdings haben damit zukünftig über die Hälfte der Miethaushalte Hamburgs Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Aber wir haben nur 110 Sozialwohnungen auf 1.000 Miethaushalte. Wie passt das eigentlich zusammen? Und welche Schritte werden und müssen wir in Hamburg noch gehen, damit das funktioniert?
Es gibt nicht die eine Maßnahme, mit der man kurzfristig alle, die einen Anspruch haben, mit gefördertem Wohnraum versorgen kann. Neben dem Neubau von geförderten Wohnungen wird es künftig längere Bindungsfristen geben, man kann auch über die Verlängerung auslaufender Bindungen reden. Daneben brauchen Genossenschaften und Stiftungen gute Bedingungen. Wir haben außerdem neue Unterstützungsinstrumente: das Wohngeldplus - das weitet den Kreis der Wohngeldberechtigten aus und es gibt auch deutlich mehr Geld als früher. Das lohnt sich, dass einfach mal für sich zu prüfen.


[1] Im ersten Förderweg erhalten Ein-Personen-Haushalte künftig ab einem Brutto-Jahreseinkommen von bis zu 28.500 Euro einen Wohnberechtigungsschein für eine Sozialwohnung. Für einen Zwei-Personen-Haushalt liegt der Grenzwert bei einem Brutto-Jahreseinkommen von bis zu 42.200 Euro, ein Drei-Personen-Haushalt darf bis zu 53.800 Euro verdienen und für einen Vier-Personen-Haushalt liegt die neue Grenze bei bis zu 65.500 Euro.

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