Wie wir die Rechten besiegen können: Polen macht es vor - Ein Beitrag von Till Steffen

01.11.23 –

Liberale Demokratien sind auf der ganzen Welt bedroht durch rechte Parteien. Sie vergiften den öffentlichen Diskurs und nutzen den Zugriff auf staatliche Macht, um demokratische Mitbewerber auszuschalten. Ob Fidesz in Ungarn, Extremisten in Israel oder Trump in den USA: Das Drehbuch ist stets das Gleiche. In den Wahlkämpfen werden Gegner diskreditiert und zu Feinden des Landes erklärt, nach der Wahl werden kontrollierende Gegenmächte wie Gerichte und freie Medien auf Linie gebracht. 

Oft findet auch ein Angriff auf das Wahlrecht statt, um der Opposition den Weg zur Macht zu erschweren. Immer öfter ist aber auch der Angriff auf das Parlament selbst Teil von Plänen, die Macht zu ergreifen bzw. nicht abgeben zu müssen. Zu sehen war das beim Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021 und bei den im Dezember 2022 vereitelten Anschlagsplänen der rechten Verschwörer um Prinz Reuß.

Gefährlich ist dieser politische Angriff von rechts aus zweierlei Gründen:

Zum einen wird die Eskalation meistens nur sehr langsam vorangetrieben. Die Ausschaltung demokratischer Institutionen steht erst am Ende des Prozesses. Diese Bewegungen erscheinen deswegen zunächst weit weniger gefährlich. Im Gegenteil: Bei uns wird von niemandem so oft die Verletzung demokratischer Regeln beklagt wie von der AfD. In den allermeisten Fällen zu Unrecht. Dennoch verbreiten sie durch ihre Klagen das Bild, dass die anderen Parteien sich nicht an die demokratischen Spielregeln halten. Sie setzen damit auch das Ansehen der Demokratie herab, was spätere Angriffe erleichtert.

Zum anderen imitieren auch konservative Parteien einen Teil der Methoden. Politische Mitbewerber werden zu Feinden erklärt und die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien wird infrage gestellt. Das ist gefährlich, weil dadurch der Unterschied zu den rechten Parteien unkenntlich wird und diese dadurch harmloser erscheinen. Politisch ungeschickt ist es ohnehin, weil dadurch die Themen der Rechten die Agenda bestimmen, was sich positiv auf deren Wahlerfolg auswirkt.

Das interessante ist: Die Rechten nehmen für sich in Anspruch, eine Mehrheit zu repräsentieren. Besonders anschaulich dazu Hubert Aiwanger: “Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss (…).”. Es wird also so getan, als wäre eine Minderheit an der Regierung, während die wahre Mehrheit nicht repräsentiert ist. 

Wenn dem so wäre, bräuchte es die ganzen Einschränkungen demokratischer Kontrollen überhaupt nicht. Dann könnte diese Mehrheit sich ja stabil den Zugriff auf die Regierungsmacht sichern. Das Drehbuch der Rechten sieht diese Schritte aber vor, weil sie wissen, dass sie nicht in der Mehrheit sind. Die Politik der Rechten Parteien richtet sich gegen Einwanderer (in allen Industriestaaten eine große Gruppe), gegen Frauenrechte und steht wegen der Leugnung der Klimakatastrophe im diametralen Widerspruch zu den Interessen künftiger Generationen. Hegemonie kann diese Politik deswegen nur in der Gruppe haben, die materielle oder gesellschaftliche Besitzstände bewahren wollen. Oftmals wird die Politik dieser Parteien getragen von übersteigertem Nationalismus und einer rassistischen Abwertung von Menschen mit Migrationshintergrund. Besonders hart wird dieser Kampf in den USA ausgefochten, deren Verfassung und Verfassungswirklichkeit als einer der wenigen Staaten die Utopie der multiethnischen Demokratie lebt (wie es treffend Hannes Stein letztens in der WELT formulierte). Dagegen stellen Trump und Musk das Ziel einer Alleinherrschaft der Weißen. Ein Ziel, das ohne Ausschaltung demokratischer Prozesse nicht zu erreichen ist.

Was tun? Ein besonders schönes Beispiel hat dazu der Sieg von dem Bündnis um die Bürgerplattform von Donald Tusk in Polen geliefert. Er hat es geschafft, die gesellschaftliche Mehrheit zu aktivieren, gegen die die PiS acht Jahre lang angekämpft hat. Dabei konnte die PiS die Gruppe an Wähler*innen, die sie adressiert, durchaus mobilisieren. Möglich wurde der Sieg der Oppositionsparteien aber durch die Teilnahme von noch viel mehr Menschen, die die Politik der PiS ablehnen. Das drückt sich auch aus in der höchsten Wahlbeteiligung seit Begründung der dritten polnischen Republik 1989. 

Geführt hat Donald Tusk diesen Wahlkampf, indem er ganz gezielt die populistischen Angriffe der PiS ignorierte – auch das ein großer Unterschied zur großen Nervosität, die viele Parteien befällt, wenn die AfD mal wieder eine Sau durchs Dorf treibt. Stattdessen hat er stark gemacht, was die PiS bekämpft hat: Insbesondere der Angriff auf Frauenrechte durch die Regierung hat der Opposition viel Unterstützung verschafft. Was lernen wir? Der Siegeszug der Rechten ist weder Naturgesetz noch unaufhaltsam. Es ist dagegen möglich, dass eine Mehrheit sich dem entgegenstellt, die erkennt, dass die Rechten eben nicht ihre Interessen bedienen. Das setzt aber einen klaren Blick auf die Agenda der Rechten voraus. Das ist naturgemäß leichter in Staaten, bei denen das unheilvolle Wirken der rechten Parteien in der Regierung bereits beobachtet werden kann. Der gegenwärtige Camouflage-Kurs der AfD macht es bei uns schwerer, dieses Bewusstsein zu wecken. So schlecht stehen wir aber nicht da: Laut einer Forsa-Umfrage von Mitte Oktober lehnen 69 % eine Regierungsbeteiligung der AfD ab. Darauf lässt sich aufbauen.

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